Die sieben Rätsel der Geoforschung

In einer Umfrage unter 753 Wissenschaftlern hat der "Spiegel" nach den größten Rätseln der Geoforschung gefragt. Die sieben meistgenannten sind hier aufgelistet, auf weitere 32 Themen entfielen jeweils weniger als 4% der Stimmen. Veröffentlicht am 22.06.2009 bei Spiegel Online.


1. Vorhersage von Erdbeben (20,8%)

Erschütterungen der Erde kommen stets überraschend, sie lassen sich so gut wie gar nicht vorhersagen. Seit mehr als 100 Jahren suchen die Geophysiker nach Warnsignalen. Dutzende von messbaren Anzeichen haben sich als unzuverlässig erwiesen: elektrische Spannungen und Gasströme im Boden, die Dehnung der Erdkruste oder Veränderungen des Grundwasserspiegels. Die einzigen Aussagen, die man über Erdbeben machen kann, sind bis heute statistischer Art: Man argumentiert mit Wahrscheinlichkeiten, aber hat keine Kenntnis über die Stärke, genauen Zeitpunkt oder das Epizentrum.
Earthquake of Sichuan on 12th May 2008

2. Prozesse des Klimageschehens (19,8%)

Der Kreislauf des Klimageschehens beherbergt eine Fülle von Parametern, deren Zusammenspiel kaum verstanden ist. Die inzwischen unumstößliche Erkenntnis über die globale Erwärmung basiert auf unterschiedlichen Modellen, die große Unsicherheiten aufweisen. So kann beispielsweise die Wirkung von kleinen Partikeln (Aerosole) in der Luft das Sonnenlicht abschirmen (Kühleffekt) oder auch die Wolkenbildung verstärken (Erhöhung des Wasserdampfs). Unklar ist, auf welche Weise sich der CO2-Gehalt aus den Industrieabgasen in der Luft, in den Meeren, im Erdboden verteilt und über welche Wege er das Polkappeneis beeinflußt.
Industrielle Luftverschmutzung

3. Entstehung des Lebens (10,4%)

Bis heute ist es ein Rätsel, wie sich aus anorganischer Materie Substanzen bilden, die sich selbst reproduzieren können. Im Miller-Urey-Experiment im Jahr 1953 gelang es, aus "universellen" Stoffen wie Methan, Ammoniak, Wasser und Kohlenmonoxid durch Energiezufuhr Aminosäuren herzustellen. Sie bilden die Grundlage für Eiweiße. Allerdings müssen sich Tausende von Aminosäuren in der richtigen Reihenfolge zu brauchbaren Eiweißen verbinden, damit daraus eine replikationsfähige RNA entsteht. Der Schritt von reinen chemischen Molekülen bis zu einem abgesonderten Bereich mit einer Selbstorganisation (z.B. eine Zelle) ist immer noch unverstanden.
Origin of a life cell

4. Magnetfeld der Erde (9,4%)

Das Wissen über das Erdinnere beruht auf der Erdbeben- und Vulkanforschung, es gibt sonst keinen direkten Zugang. Laut Schalenmodell ist die Kruste zwischen 35 und 70 km dick (weniger als 1% des Erdradius). Den größten Anteil nimmt der untere Erdmantel aus zähflüssigem Gestein ein, in dem Konvektionsprozesse stattfinden. Noch tiefer, im äußeren Erdkern verlieren sich die Erdbebenwellen, so dass man ihn als flüssig annimmt. Hier finden Ströme statt, die das Magnetfeld erzeugen. Wie dies genau passiert und welche Rolle die D''-Schicht zwischen Erdmantel und -kern hat, ist nicht geklärt.
Innerer Aufbau der Erde

5. Umweltfreundliche Energieversorgung (7,3%)

In den industriell hochentwickelten Ländern herrscht ein hoher Bedarf an Energie. Diese Energie wird von unterschiedlichen Quellen zur Verfügung gestellt, z.B. fossile Brennstoffe (wie Öl, Kohle, Holz), Kernenergie oder natürliche Resourcen (wie Sonneneinstrahlung, Wind, Geothermie, Gezeitenkraft). Die Ausbeute ist begrenzt und meist mit einer lokalen Verschmutzung der Umwelt verbunden, die aber globale Folgen erreichen kann. Das Ziel der sogenannten "sauberen" Energieform liegt darin, möglichst wenig Verlustwärme zu erzeugen und gleichzeitig die mineralogischen Resourcen der Erde zu schonen.
Umweltfreundliche Energieversorgung

6. Vorhersage von Vulkanausbrüchen (6,2%)

Eine Vulkanaktivität unterteilt man in effusive und explosive Typen, wobei auch Mischformen existieren. Viele Vulkane folgen allerdings nicht einem gleich bleibenden Ausbruchsmuster, sondern zeigen ein variierendes Verhalten. Einen entscheidenden Einfluss hat neben dem Gas- und Wassergehalt die Zusammensetzung des Magmas, vor allem Siliziumdioxidgehalt (SiO2). Trotz verschiedener Frühwarnsysteme lässt sich eine gewisse Unberechenbarkeit nie ausschalten. Die größten Vulkane (Supervulkane) sind dazu noch von Erdbeben und Flutwellen begleitet. Deren Eruption kann zu einer globalen Klimakatastrophe führen, bei dem die Temperaturen weltweit um mehrere Grad sinken.
Mt. Pinatubo 1991 auf den Philippinen

7. Plattentektonik (5,2%)

Die Plattentektonik ist die grundlegende Theorie für die dynamischen Prozesse im Erdmantel. Mit ihr hängt die Verschiebung der Lithosphärenplatten und die darauf basierenden geologischen Phänomene zusammen, z.B. die Bildung von Faltengebirgen, Tiefseerinnen und Deformationen der Gesteinsmassen. Auch Erdbeben und Vulkane sind der Ausdruck iher Aktivität auf kurzer Zeitskala. Die großräumige Verteilung der Landmassen auf der Erdobefläche spielt eine enorme Rolle bei der Ausbildung von Meeresströmungen. Sie bestimmen die klimatischen Bedingungen auf der gesamten Erde.
San Andreas Graben in Kalifornien




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Last modified: 2009, Jul 12